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Abstandsunterschreitung

  • Ein Lkw-Fahrer muss eine Abstandsunterschreitung nicht mit Hilfe der Fahrbahnmarkierungen erkennen
  • Abstandsunterschreitungen gehören zu den häufigsten Verkehrsordnungswidrigkeiten. Wer den Mindestabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug unterschreitet und erwischt wird, muss mit empfindlichen Folgen rechnen – eine Geldbuße sowie ein Fahrverbot. Deshalb empfiehlt es sich, den erforderlichen Mindestabstand stets einzuhalten.
  • Allerdings ist dieser Mindestabstand nirgendwo genau definiert. In § 4 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung heißt es hierzu lediglich:
  • „Der Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug muss in der Regel so groß sein, dass auch dann hinter diesem gehalten werden kann, wenn es plötzlich gebremst wird.“
  • Als Faustregel für den Mindestabstand außerhalb von Ortschaften hat sich daher die „Halber-Tachostand-Regel“ etabliert: Der Abstand soll dem halben Tachostand entsprechen: Bei einer Geschwindigkeit von 100 km/h, beträgt der Sicherheitsabstand also 50 Meter.
  • Dennoch kann es schnell passieren, dass dieser Sicherheitsabstand unterschritten wird. Eine wichtige Frage ist dann: Konnte der Betroffene erkennen, dass er den Mindestabstand unterschreitet. Einen sehr strengen Maßstab legte hierbei das Amtsgericht Wildeshausen an: Dieses hat einen Lkw-Fahrer wegen einer Abstandsunterschreitung auf einer Autobahnverurteilt und dies damit begründet, dass der Betroffene den erforderlichen Abstand mit Hilfe der Fahrbahnmarkierung hätte erkennen können.
  • Der Betroffene, anwaltlich vertreten, nahm dies jedoch nicht hin und legte gegen das Urteil Rechtsbeschwerde ein. Und hatte Erfolg damit. Das Oberlandesgericht Oldenburg (Beschluss vom 05.01.2015 – 2 SS (OWi) 322/14)  hob das Urteil des Amtsgerichts nämlich auf und begründete dies wie folgt:
  • Das Amtsgericht hat die Vorwerfbarkeit der von ihm festgestellten Abstandsunterschreitung damit begründet, dass der Betroffene durch den Abgleich seiner Position mit den Fahrbahnmarkierungen seinen Abstand hätte erkennen können und müssen. Hiervon kann nach Auffassung des Senates jedoch grundsätzlich nicht ausgegangen werden.
  • Die Leitlinien sind geregelt unter laufender Nr. 22 der Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO. Das Amtsgericht hatte festgestellt, dass die Markierungen 6 m lang und die Zwischenräume 12 m lang seien.
  • Der Betroffene führt in seiner Rechtsbeschwerde aus, dass ein Kraftfahrer weder die Länge eines unterbrochenen Mittelstriches als Fahrbahnmarkierung, noch die Länge der Zwischenräume kenne. Dies werde weder in der Fahrschule unterrichtet, noch sei es Gegenstand des Allgemeinwissens. Selbst der Verteidiger des Betroffenen, der schwerpunktmäßig Verkehrsordnungswidrigkeiten bearbeite, habe solches nachlesen müssen.
  • Die Maße ergeben sich zwar aus den Richtlinien für die Markierung von Straßen (RMS), Teil 1: Abmessungen und geometrische Anordnung von Markierungszeichen (RMS-1), Ausgabe 1993. Der Senat kann aber aus eigener Anschauung beurteilen, dass der Einwand, dass die entsprechenden Längenangaben einem Kraftfahrer in aller Regel nicht bekannt sein dürften oder bekannt sein müssten, zutreffend ist.
  • Der Fahrlässigkeitsvorwurf bei einer Abstandsunterschreitung kann deshalb – zumindest wenn keine speziellen Kenntnisse des betroffenen Kraftfahrers festgestellt sind – nicht damit begründet werden, dass der Kraftfahrer durch den Abgleich seiner Position mit den Fahrbahnmarkierungen seinen Abstand hätte erkennen können und müssen. Die Feststellungen zum subjektiven Tatbestand unterliegen deshalb der Aufhebung. Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass das Amtsgericht hierzu weitere Feststellungen treffen kann.”
  • Entscheidend ist folglich, welche besonderen Kenntnisse ein Fahrer hat, um anhand der Fahrbahnmarkierung eine Abstandsunterschreitung erkennen kann. Diese Kenntnisse müssen dem Betroffenen jedoch nachgewiesen werden – was ohne Einlassung des Betroffenen schwierig werden könnte. Vor Gericht ist also Schweigen angesagt.
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